Stiller und die unsichtbare Meute - Main-Krimi by emons Verlag

Autor:emons Verlag
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783863585891
veröffentlicht: 2014-10-19T22:00:00+00:00

11

Stiller bemühte sich um einen geradlinigen Gang, sobald Strobel in seinem Blickfeld auftauchte.

»Gell, jetzt wollen wir uns nicht anmerken lassen, wie schwer uns das Laufen fällt«, knotterte die Krankenschwester, die sich bei ihm untergehakt hatte. Sie trotzte noch immer, weil sie ihn ziehen lassen musste.

Stiller war froh, dass sein eines Ohr seit dem Schlag ein wenig taub war und er die Krankenschwester nur wie durch Watte hörte. Kaum aus dem Zimmer, hatte er versucht, sie abzuwimmeln: Kleinschnitz könnte ihn doch führen. Aber trotz ihres engen Zeitplans hatte sie das resolut abgelehnt: Wenn sie der Ärztin schon gehorchen müsse, dann aber voll und ganz.

»Du musst dich gar nicht so zusammenreißen«, raunte ihm Kleinschnitz tröstend in das gesunde Ohr und wies mit dem Kinn auf das dichte Gedränge in dem Gang, der auf die Cafeteria zuführte. »Fällt nicht weiter auf, wenn du hier ein wenig schwankst.«

Stiller sah sich um und gab Kleinschnitz recht. Unter denen, die auf dem Flur unterwegs waren, gehörte er zu den Jüngeren. Nirgends zeigte sich der demografische Wandel so deutlich wie im Klinikum. Zudem schien es etliche Patienten weit schlimmer getroffen zu haben als ihn. Immerhin waren sie mobil. Seit Jahren schaffte das Klinikum nur noch elektrische Rollstühle an, weil die Zahl der Alten ohne Angehörige wuchs und es bei Weitem nicht genug Pfleger gab, um Patienten durchs Haus zu schieben.

Strobel winkte kurz zum Zeichen, dass er Stiller und Kleinschnitz bereits ausgemacht hatte. Er saß an einem der hinteren Tische, wo es etwas ruhiger war als an der Theke, vor der eine Traube von betagten Patienten und Besuchern anstand. Es war erst früher Nachmittag, aber die Cafeteria zählte zu den wenigen Freizeitvergnügen, die ein Krankenhaus bot. Angeblich genossen ältere Menschen die Abwechslung, die ihnen ein Arztbesuch verschaffte. Doch der Aufenthalt im Klinikum gehörte sicher nicht dazu. Stiller vermutete, dass die meisten Untersuchungen hier nicht so kurz, schmerzlos und aufregend verliefen wie diejenige, die er vor wenigen Minuten über sich hatte ergehen lassen müssen.

»Schön, dass Sie sich noch einmal Zeit für mich nehmen, Herr Stiller«, begrüßte ihn Strobel, nachdem das Trio seinen Tisch erreicht hatte und die Krankenschwester wieder in der Masse untergetaucht war. »Wie ich sehe, geht es Ihnen schon wieder besser. Und Ihren Kollegen haben Sie auch gleich mitgebracht.«

Stiller rätselte, wie er Strobels Ton deuten sollte, während er sich ächzend auf den Plastikstuhl sinken ließ, den ihm Kleinschnitz von hinten in die Kniekehlen schob.

Strobel beugte sich vor und betrachtete ihn ernst. »Es geht Ihnen doch besser?«

Stiller begnügte sich mit einer wegwerfenden Handbewegung und fragte: »Haben Sie diesen Geist geschnappt?«

»Noch nicht«, bedauerte Strobel. »Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Wir können sein Auto zwar nicht orten und sein Smartphone auch nicht, doch die Fahndung läuft auf Hochtouren, bundesweit. Die Software sämtlicher Überwachungskameras ist mit seinem Bild und seinen Daten gefüttert. Flughäfen, Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen, Busknotenpunkte, alle öffentlichen Einrichtungen, große Plätze, die verstecktesten Geldautomaten – alles. Der kommt uns nicht aus.«

»Wenn Sie ihn noch nicht haben, weshalb sind wir dann hier?« Stiller sah sich beim Wort »wir« unwillkürlich nach der Krankenschwester um.

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